Ich sag es ja immer wieder: Das Wichtigste im Leben ist Pünktlichkeit. Und noch mehr: Die Pünktlichkeit entscheidet über den Wert des Menschen? Sie können Pünktlichkeit üben, aber wenn in fremden Kulturen noch nicht mal das Wort existiert, wird’s einfach schwierig.
Wir befassen wir uns heute damit, wie wichtig es ist, rechtzeitig dazu sein und was passiert, wenn es nicht so ist.
Wer bestimmt über unsere Pünktlichkeit und warum ist das so?
Zum gemeinsamen familiären Abendessen Punkt 18:00 Uhr gehörte es sich in meiner Familie, rechtzeitig da zu sein. Zuspätkommen wurde durch ermahnende Worte abgestraft.
„Das Zusammenleben klappt nur durch Pünktlichkeit“, schimpfte mein Vater, wenn sich das Abendessen hinauszögerte. Dann fügte er hinzu: „Wenn das in der Familie, im Kleinen misslingt, wird es niemals im Großen, der gesamten Gesellschaft, gelingen. Gewöhnt euch daran!“
Mittlerweile habe ich drei Pünktlichkeitstypen in meinen Leben kennengelernt:
Die Ersten: Sie kommen 15 Minuten oder eine Stunde später und finden das normal, denn für sie ist Pünktlichkeit eine Orientierung.
Die Zweiten: Sie kommen immer auf den Punkt genau oder ein paar winzige Minuten zu spät und erklären mir: „Das nächste Mal bin ich rechtzeitig da.“ Das Ziel ist Pünktlichkeit.
Die Dritten: Sie sind 15 Minuten vor dem Termin da. Einige kommen 30 Minuten vor Tagungsbeginn. Die Rechtzeitigen kommen stets überpünktlich.
Pünktlichkeit heißt:
- rechtzeitig zum Abendessen zu sein
- pünktlich sollten Kinder zum Stundenbeginn in der Schule sein
- zum gesetzlich festgelegten Termin muss die Steuererklärung vorliegen
- möglichst kurz vor dem Arbeitsbeginn in der Firma sein
- pünktlich die Rechnung bezahlen.
Ja, ganz viele Menschen betonen, dass sich hinter Pünktlichkeit ein wichtiger Wert verbirgt, der sowohl erwartet wird als auch zur Orientierung dient. Wie ein Zwillingspaar gehören zur Pünktlichkeit Normen also Handlungsgebote oder Verbote.
Das geschieht durch Mitarbeitergespräche, Elterngespräche, eine Aufforderung vom Finanzamt, Arbeitsanweisungen oder Ermahnungen.
Die Normen für die Pünktlichkeit sind streng verbindlich und deren Nichteinhaltung wird sanktioniert.
Die Pünktlichkeit kann entscheiden, ob Fremde die „deutsche Kultur“ akzeptieren oder nicht.
Und machen wir uns nichts vor: Viele Deutsche haben es auch mit der Pünktlichkeit nicht so. Die obligatorischen fünfzehn Minuten werden akzeptiert, während drei Stunden Verspätung unverständlich und ärgerlich sind.
Warum gibt es Unpünktlichkeit?
Ich gebe zu, es ist einfach ungerecht,
- wenn bei einer Besprechung die pünktlichen Teilnehmer auf die unpünktlichen warten müssen.
- wenn Wartende die Mitteilung aus dem Lautsprecher erhalten: „Der ICE hat ca. 1 Stunde Verspätung. Wir danken für ihr Verständnis.“
- wenn die Musiker den Konzertbeginn hinauszögern.
Unpünktlichkeit hat verschiedene Ursachen: Es kann sein, dass ich schlecht geplant habe. Ich bin zu spät von zu Hause losgefahren. Oder eine unerwartete Situation war an der Verzögerung schuld. Das kann ein Stau, ein Gespräch mit der Nachbarin oder eine Havarie sein.
Was verstehen Kulturfremde unter Pünktlichkeit?
„Egal, wann ich komme, die Hauptsache ich bin da. „Neun Uhr gehört zum Vormittag und wenn ich Elf Uhr da bin, reicht es“, erklärt mir der libanesische Familienvater. Durch meine Tätigkeit habe ich täglich Berührungen zu sehr vielen Menschen aus anderen Kulturen. Tatsache ist: die Pünktlichkeit wird hier anders verstanden:
- Auf die Minute genau zu kommen, gibt es nicht.
- In vielen öffentlichen oder medizinischen Einrichtungen kommt man am Vormittag oder am Nachmittag und wartet.
- Der Begriff „Termin“ existiert in der Sprache nicht.
- Eine oder zwei Stunden später zu einer Familienfeier zu kommen ist egal, das Essen steht auf dem Tisch und alle sind willkommen.
Im Allgemeinen gibt es flexiblere zeitliche Reglungen und Orientierungen. Das Zusammenleben funktioniert trotzdem in den jeweiligen Kulturen, da genau diese Werte und damit zusammenhängende Normen bekannt sind.
Interkulturelle Kompetenz: Der Umgang mit Unpünktlichkeit in anderen Kulturen
Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade einen Besprechungstermin und wollen kritische Punkte aus dem Weg räumen. Sie haben sich darauf ausgiebig vorbereitet, genau überlegt, was besprochen werden soll, und die Zeit geplant. Der Termin rückt heran und Sie sind etwas aufgeregt. Die Zeit vergeht und es wird immer später. Weder ein Anruf erreicht Sie noch liegt eine erklärende E-Mail in Ihrem Postfach. Zwei Stunden später öffnet sich die Tür, der afrikanische Mitarbeiter kommt lächelnd herein und fragt: „Wie geht es Ihnen?“
Merken Sie, wie das auf Sie wirkt. „Na, schönen Dank auch“, denken Sie doch. Die Gefühle drehen durch und es ist unangebracht, sie zu äußern. Vielleicht werden Sie ungeduldig und schimpfen. Viele erklären sehr laut und ausführlich, wie man sich verhält. Manche sind stinksauer und betrachten das Verhalten als einen Angriff auf ihre Person.
Welche Ursachen für Ihre Reaktionen gibt es? Hier treffen für Sie Normales auf Unnormales und unser Gehirn benötigt dafür Verarbeitungszeit. Deshalb reagiert es auf Unbekanntes stärker.
Hinter jeglichem Kontakt zu Menschen aus anderen Kulturen verbergen sich unterirdische, unsichtbare Werte. Sie regulieren Verhalten und geben Orientierung.
Punktgenaues spielt in einigen Kulturkreisen keine dominante Rolle. Es ist völlig ok, wenn ich mich verspäte und dies wird weder sanktioniert noch übel genommen. Es wird davon ausgegangen, dass es einen Grund hat und dieser wird akzeptiert. Auch wenn der Bus im afrikanischen Urlaubsort mit zwei Stunden Verspätung startet, gibt es eine uns unbekannte Begründung dafür.
Was können Sie tun?
Sie sollten akzeptieren, dass den Kulturfremden und deren Verhaltensweisen und Äußerungen andere Werte als die unseren zu Grunde liegen.
Zunehmendes Verständnis für Unpünktlichkeit könnte ich entwickeln, wenn mir die Ursachen bekannt sind.
Denn eines kann ich Ihnen sagen: Falls Sie häufig mit Kulturfremden zu tun haben, wird es immer so weiter gehen. Derartige Episoden hören nicht auf. Und es kommt der Punkt, an dem Sie lernen damit umzugehen und gelassen reagieren. Ja, es ist eben so. Und letztendlich ist jeder für sein Handeln verantwortlich.
Drei Orientierungspunkte
- Jemanden zu bewerten hängt von Ihren eigenen gesellschaftlichen und familiären Werten ab und die Standpunkte sind verschieden.
- Von Land zu Land gibt es andere Normen als Handlungsgebote, die sich wiederum in andersartigen Regeln niederschlagen. Das sind oftmals immense Abweichungen.
- Vorsicht Falle: Kulturfremdes Verhalten nach den eigenen Kulturwerten zu beurteilen und zu vergleichen, geht schief.
FAZIT: Pünktlichkeit gehört zu den wichtigsten deutschen Werten und dahinter verbergen sich Regeln, Normen und Sanktionen. In vielen Ländern gehen die Menschen anders mit Ihrer Zeit und ihrem Zeitempfinden um.
Deshalb bitte ich Sie geduldig zu sein und ruhig zu erklären und gelassen zu reagieren. Denn letztendlich handelt jeder selbst und trägt auch die Konsequenzen dafür. Pünktlichkeit liegt im Blick des Betrachters.
Pingback:Interkulturelle Kompetenz: Überraschende Erkenntnisse der Stanfort-Studie | interkulturelle-dimensionen.com